Einer Einladung der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“ des SPD-Kreisverbandes Ludwigsburg folgend erläuterte Hilde Mattheis MdB, die pflegepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, am 2. Februar 2012 im Haus der SPD in Ludwigsburg die Positionen ihrer Partei zur Reform der Pflegeversicherung und stellte sich den Fragen ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer.
„Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken“ - unter diesem Motto steht das fast 30seitige Orientierungspapier der SPD-Bundestagsfraktion zur Reform der Pflegeversicherung, das Hilde Mattheis zur Grundlage ihrer Ausführungen vor ca. 60 Zuhörerinnen und Zuhörer im Haus der SPD in der Ludwigsburger Bärenstraße erklärte. Der Ausgangspunkt für alle Überlegungen zum Thema Pflege sei klar, denn der Anteil älterer und alter Menschen in unserer Gesellschaft werde dank des medizinischen Fortschritts immer mehr ansteigen. Damit werde die Notwendigkeit, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine leistungsfähige, qualitativ hochwertige, aber dennoch bezahlbare Pflege ständig den sich wandelnden Anforderungen anzupassen, immer dringlicher.
Die 1995 eingeführte Pflegeversicherung wurde, so Mattheis in ihrem en¬ga¬gier¬ten und kennt-nis¬reichen Vortrag, zu einem „zentralen Baustein unseres So¬zial¬ver¬siche¬rungs¬sy¬stems“. Mit dem im Jahre 2008 in Kraft getretenen „Pflegeweiterentwicklungsgesetze“ wur¬de dann vor allem auf die speziellen „Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen“ ein Ak-zent gesetzt, u. a. auf die Beratung in allen Fragen der Pflege, auf die praktische Un¬ter¬stüt-zung pflegender Angehöriger, auf Qualitätsprüfungen, auf die Verbesserungen der Pflege¬lei-stun¬gen, auf Prävention und Rehabilitation und die Sicherung der Finanzierung durch die pa-ri¬tätische Anhebung des Beitragssatzes um 0,25 Prozentpunkte bis 2014/15. Der Leitsatz „am¬-bulant vor stationär“ wurde auf diese Weise gestärkt.
Eine besondere Herausforderung ist und bleibt die Pflege dementer Patienten. Ihren beson¬de-ren Be¬dürf¬nis¬sen, so Mattheis, soll eine „Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ Rechnung tragen. Im Orien¬tie¬rungs¬¬papier heißt es hierzu: „Der derzeitige Pflegebedürftigkeitsbegriff erfasst Menschen mit de¬mentiellen Erkrankungen nicht ausreichend, da dieser stark verrich-tungs¬be¬zo¬gen und so¬ma¬tisch ausgerichtet ist und wichtige Aspekte der sozialen Teilhabe nicht be¬rück¬sichtigt.“ Stattdessen käme es in diesem Zusammenhang darauf an, die „Teilhabe für Pfle¬gebedürftige“ zu sichern, die Pflegeberatung auszubauen, das Leistungsrecht zu fle¬xi¬bi¬li-sie¬ren, die Pflegequalität insgesamt weiterzuentwickeln und zudem neue Erkenntnisse der Pflege- und Teilhabeforschung möglichst schnell auf die praktische Pflegesituation zu über-tragen. Pflegende Angehörige sollten entlastet und unterstützt werden durch eine Ver¬bes¬se-rung der Beratung ( z. B. durch den Ausbau der umfassend informierenden und beratenden Pfle¬gestützpunkte), die Aufwertung des Ehrenamtes, den „Ausbau der Kurzzeit- und Ver¬hin-de¬rungspflege“ und verbesserte „Hilfe bei plötzlich eintretender Pflegebedürftigkeit“ eines An¬gehörigen. Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für Angehörige eines Pfle¬¬gebedürftigen sei von großer Bedeutung: „Wir wollen das Pflegezeitgesetz, das den An-spruch auf eine 6-monatige Freistellung beinhaltet, weiterentwickeln. Mit dem Modell eines fle¬¬xibel handhabbaren Zeitbudgets wollen wir Angehörige besser unterstützen (…) Eine Lohn¬¬ersatzleistung soll die finanziellen Einbußen, die Angehörigen durch die Reduzierung der Arbeitszeit entstehen, abfedern.“ Außerdem könnten etwa die Pflegezeiten rentenrechtlich höher bewertet werden. Die Situation professioneller Pflege¬kräf¬te sollte durch eine an¬ge¬mes-se¬ne Bezahlung, eine Verbesserung der Ausbildung, die För¬de¬rung von Umschulungen und Wei¬terbildungsmaßnahmen, Informations- und Image¬kampag¬nen zu Pflegeberufen und zum „Frei¬¬willigen Sozialen Jahr“ nachhaltig verbessert werden. Hin¬zu kommt die Notwendigkeit, die kommunalen Infrastrukturen im Sinne einer „in¬te¬grier¬ten Sozialplanung“ (u. a. Woh¬nungs-wirtschaft, Wirtschaftsförderung, ÖPNV, Bauleitplanung) nach¬haltig zu fördern.
Hilde Mattheis unterstrich - vor dem Hintergrund dieser enormen, auch kostenintensiven ge-samt¬gesellschaftlichen Aufgaben - die Forderung der SPD, eine Bürgerversicherung ein¬zu¬füh-ren: „Mit der Bürgerversicherung schaffen wir in der Finanzierung ein gerechtes System, das alle entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit einbezieht, die Bemessungsgrundlage ver¬breitert und die Lasten fairer verteilt“. Ziel müsse es sein, durch die Beteiligung aller Bür-gerin¬nen und Bürger und die paritätische Beteiligung der Arbeitsgeber die „unterschiedliche Ri¬¬sikoverteilung zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung“ auszugleichen.
Der informative und anregende Abend endete mit einer lebhaften Diskussion, die die Lud-wigs¬burger AsF-Vorsitzende Ursula Glock engagiert und souverän leitete.